Modified: 21.07.2005

 

Quedlinburg ist eine kleine Stadt im Osten des Harzes. Das besondere an Quedlinburg ist der nahezu vollständig erhaltene mittelalterliche Stadtkern, der als Ganzes zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt wurde. Quedlinburg wird erstmalig 922 urkundlich erwähnt, Heinrich I. hielt sich gerne und oft hier auf. Ein Stadtspaziergang führt durch die engen Gassen, die von Fachwerkhäusern gesäumt werden, einige wundervolle Kirchen zieren die Stadt. Hervorzuheben ist insbesondere die Stiftskirche Sankt Servatius, die durch ihre schlichte romanische Ausführung und mit den herrlichen ottonischen Säulenkapitellen zu beeindrucken weiß. Quedlinburg ist ebenfalls der Geburtsort von Johann Heinrich Kloppstock, dessen Geburtshaus hier noch erhalten ist. Die Lyonel-Feininger-Galerie zeigt eine umfangreiche Sammlung des Künstlers, die in Quedlinburg vor der Zerstörung durch die Nationalsozialisten bewahrt wurde.

 

 
Marktkirche Sankt Benedikti:
 

Nördlich des Rathausplatzes befindet sich die Marktkirche Sankt Benedikti. Der Marktplatz war schon immer das Zentrum von Quedlinburg, hier entstand an der Kreuzung zweier Handelswege die erste Siedlung. Die Marktkirche selbst wird erstmals 1233 urkundlich erwähnt, die Kirche selbst ist jedoch noch etwas älter und bis auf einige Veränderungen immer noch erhalten. Begonnen wurde der Bau Anfang des 12. Jahrhunderts, die Weihung erfolgt 1173. Nur einer der beiden Turmsockel weist einen spitzen Turmhelm auf, der niedrige Zwischenbau zwischen den beiden Türmen wurde nach einem Brand aufgestockt. Um die Kirche herum stehen einige schöne Fachwerkhäuser, auf der Nordseite weist das barocke, im Jahr 2000 renovierte Goetzesche Mausoleum darauf hin, dass sich um die Kirche herum natürlich ein Friedhof befand.

 

Im 15. Jahrhundert folgten einige größere Umbauten der Kirche, die romanische Basilika sollte zu einer gotischen Hallenkirche werden. So wurde der Chor neu gebaut, er erhielt die lichte Höhe von 17 Metern und wurde mit schönen Gewölberippen und Sandsteinplastiken ausgestattet. Heutzutage ist der große Chor ein baustatisches Problem, er sackt einseitig stärker im weichen Boden Quedlinburgs ein, so dass sich Risse in den Wänden am Übergang zwischen Hauptschiff und Chor zeigen. Allgemein wurde die Kirche nach dem zweiten Weltkrieg nur notdürftig in Stand gesetzt, ab 1992 stellten Umfangreiche Sanierungsmaßnahmen, insbesondere das neue Eindecken des Daches, den Erhalt des Bauwerkes sicher.

 

Die Innenausstattung der Kirche beinhaltet einige sehr schöne Stücke aus verschiedenen Stilepochen. So wurde der Hochaltar 1700 in barock-klassizistischer Manier gestaltet, er zeigt die Auferstehung Christi in mehreren Bildern, Plastiken von Petrus, Johannes, König David und Moses umgeben die Gemälde. Im Langhaus an der Ostwand des südlichen Seitenschiffes befindet sich ein spätgotischer Flügelaltar, dessen zentrales Motiv Maria mit dem Leichnam Jesu auf dem Arm zeigt. Die Kanzel entstammt der Spätrenaissance, sie wurde von Georg Steyger gefertigt und ziert seit 1595 die Kirche. Am Kanzelaufgang befinden sich zahlreiche Reliefs, die die Glaubensbekenntnisse illustrieren. Sehr schön ist auch der Kanzeldeckel, eine plastische Darstellung des himmlischen Jerusalems, über dem Gott auf einer Wolke thront.

 

 
Sankt Nikolai:
 

Die Neustadt Quedlinburgs ist keinesfalls ein Neubaugebiet, sie wurzelt im Anfang des 12. Jahrhundert und war zunächst eher von Bauern besiedelt. Die Kirche der Neustadt ist Sankt Nikolai, die um 1310 fertiggestellt wurde. Äßerlich ist sie seit dem 15. Jahrhundert nahezu unverändert, allerdings wurde die Kirche mehrmals von Blitzeinschlägen, Stürmen und Bränden heimgesucht. Der Erhalt der Kirche erfordert auch heute noch beträchtliche Summen, der sumpfige Untergrund, auf dem Quedlinburg entstand, fördert das ungleichmäßige Absinken des Fundaments und damit die Rissbildung in den Wänden. Das Innere der Kirche wirkt durch das niedrige Hauptschiff etwas gedrungen, dies liegt an der Umgestaltung der Kirche von einer romanischen Basilika zum gotischen Erscheinungsbild: Unterhalb der vorherigen flachen Decke aus Balken wurden die gotischen Gewölbe eingezogen, der Raum dadurch also niedriger.

 

Die Innenausstattung von Sankt Nikolai ist reduziert auf das Wesentliche, von einer Vielzahl von kleinen Altären ist nach der Reformation nichts geblieben, Hauptaltar und Kanzel wurden Anfang des 17. Jahrhunderts erneuert und erstrahlen im Glanz des Barock. Die Motive des Altars nehmen Bezug auf Ostern, Abendmahl und Kreuzigung, Kreuzabnahme und Auferstehung werden gezeigt. Ebenfalls schauen die vier Evangelisten, ein jeder mit seinem Tiersymbol versehen (siehe  ELSA) vom Hochaltar herab. Die Kanzel wurde 1731 geschaffen, sie wird von einem rustikalen Engel getragen, hoch oben auf dem Kanzeldeckel thront ein Pelikan, der sich nach dem mittelalterlichen Mythos die Brust aufreißt, um seine Jungen mit seinem eigenen Blut zu speisen. Im Chor gibt es noch eine Godehard-Figur zu bewundern, die aus der Mitte des 14. Jahrhunderts stammt. Schön sind auch die Säulen, die die Orgelempore tragen, weinberankt winden sie sich in die Höhe.

 

 
Stiftskirche Sankt Servatius:
 

Südlich des Stadtzentrums befindet sich der Schloßberg, auf dem sich bereits in der Bronzezeit eine Siedlung befand. Als Heinrich I. König wurde, ließ er Quedlinburg zu einer Befestigungsanlage ausbauen, nach seinem Tod wurde von seiner Witwe auf dem Berg ein Frauenstift angelegt. Der heutige Bau der Stiftskirche wurde nach einem Brand auf dem Burgberg um 1070 begonnen und 1129 geweiht, er ist ein sehr schönes Beispiel der Hochromanik. Die größte Veränderung aus späterer Zeit war der Bau eines gotischen Hochchores um 1320. In der Zeit des Nationalsolzialismus wurde das Kircheninnere wieder "romanisiert", da die Nazis das Romanische (im Gegensatz zu dem vorwiegend aus Frankreich stammenden gotischen Stil) als einzig deutschen Stil propagierten. Die gotische Apsis wurde daher einfach vermauert, um einen romanischen Innenraum zu schaffen. Über das unsägliche Treiben der Nazinalsozialisten mit der Kirche und ihrer Gemeinde gibt eine Ausstellung im Schlossmuseum nebenan Auskunft.

 

Im Inneren der Stiftskirche herrscht eine strenge, kühle Atmosphäre, sofort fällt der sehr hoch gelegene Hochchor ins Auge, der über die ebenerdige Krypta gebaut wurde. Die Kirche ist natürlich eine  romanische Basilika, zwischen den Pfeilern der drei Haupschiffsjoche stehen jeweils zwei Säulen (siehe  Stützenwechsel). Phantastisch sind die Kapitelle der Säulen, sie zeigen einige schöne Darstellungen von Tieren sowie eine reiche Ornamentik.

 

 
Stadtspaziergang:
 

Nicht nur die Kirchen machen Quedlinburg zu einem Kleinod der Geschichte. Hier ist noch ein ganzer mittelalterlicher Stadtkern erhalten, neben der Stiftskirche haben auch diese etwa 1200 Häuser den Status des UNESCO Weltkulturerbes. Ein Spaziergang durch die Stadt ist also ein absolutes Muss für jeden Besucher. Im Folgenden soll daher eine entsprechende Route als Vorschlag gegeben werden.

 

Wir beginnen unseren Spaziergang direkt auf dem Markplatz der Altstadt. Der Blick über den Platz gibt uns bereits einen guten Eindruck von Quedlinburgs Bebauung, viele Fachwerkhäser, von denen auch in späterer Zeit wenige verputzt oder anderweitig umgestaltet wurden. Besonders augenfällig ist natürlich das Rathaus, das 1310 erstmals urkundlich erwähnt wird. Anfang des 17. Jahrhunderts erhielt der ursprünglich gotische Bau eine Renaissance-Fassade. An der südöstlichen Ecke befindet sich eine Rolandsfigur, die bereits vor 1460 hier aufgestellt wurde, jedoch 1477 gestürzt wurde, als die Äbtissin gewaltsam die Herrschafft über die Stadt erlangt (Rolandsfiguren sind nach Bremer Vorbild ein Symbol der städtischen Unabhängigkeit von der Kirche). 1896 wurde der restaurierte Roland hier wieder aufgestellt.

 

Hinter dem Rathaus sind bereits die Türme von  Sankt Benedikti zu sehen, wir setzen unseren Weg rechts vom Rathaus in diese Richtung fort und gehen die Breite Straße entlang. Um Sankt Benedikti stehen einige schöne Fachwerkhäser, direkt an Ecke breite Straße und Kornmarkt gibt es ein nettes Café. Gegenüber ist die Ratsapotheke, in deren Fassade noch eine Kanonenkugel steckt. Es lohnt sich, der breiten Straße noch ein wenig zu folgen, nach einigen Metern gelangt man zum Gildehaus Zur Rose, einem Haus von 1612. Es ist im Stil des Manierismus am Ende der Renaissance gestaltet und besitzt schön geschnitzte Brüstungsplatten, im Erdgeschoss befindet sich eine Gaststätte mit antiquarischer Inneneinrichtung. Wieder zurück am Kornplatz biegen wir links in die Bockstraße ein, die von vielen kleinen Läden gesäumt wird. Hinter der nächsten Querstraße führt die Straße weiter über den Mühlgraben, der die Altstadt von der Neustadt trennt.

 

Ein paar Schritte weiter gelangen wir zum Mathildenbrunnen, dem ehemaligen Rathausplatz der Neustadt (das Rathaus ist jedoch nicht erhalten geblieben). Hinter der Häuserreihe an der Pölkenstraße sehen wir bereits die Türme der  Nikolaikirche, die einen Besuch wert ist. Zurück am Mathildenbrunnen folgen wir dem Platz und dann weiter der Heiligegeiststraße. An der Ecke Am Hospital befinden sich einige Häuser neueren Datums, schön gestaltet im Jugendstil. Die Verlängerung der Heiligegeiststraße ist die Steinbrücke, die tatsächlich einmal eine Brücke war, die zur Altstadt hinüberführte. Unsichtbar unter den Häusern hier befinden sich noch die Pfeiler der Brücke, die mit großem Aufwand durch das ehemals sehr sumpfige Gelände gebaut wurde.

 

Wir folgen der Steinbrücke nicht bis zum Ende (dann wären wir wieder auf dem Rathausplatz), sondern biegen links in die Carl-Ritter-Straße ein. Nach kurzer Zeit sehen wir links bereits den Schlossberg mit der  Stiftskirche. Man kann durch das Seniorenheim hindurchgehen und gelangt dann in die Lange Gasse. Dieser folgen wir ein Stück hinauf auf den Schlossberg, bis wir links über eine Treppe auf die Gasse Schlossberg gelangen, die an hübschen kleinen Häusern vorbeiführt. Wir erreichen einen Platz und folgen der Treppe links hinauf zum Schloss (der Platz wird weiter unten noch beschrieben).

 

Durch ein Tor geht es hinauf auf den Berg, auf dem sich ein Gasthof, die Stiftskirche und das Schlossmuseum befinden. Der Besuch der Kirche ist das Eintrittsgeld wert, das Museum ist ebenfalls interessant, in den ottonischen Gewölben des Museums befindet sich auch eine Ausstellung über die bewegte Geschichte der Stiftskirche in der NS-Zeit. Gleichfalls hat man vom Schloss aus einen herrlichen Blick über die Stadt.

 

Es folgt der Weg zurück nach unten, bis wir wieder auf dem Platz stehen. An diesem befindet sich das Geburtshaus von Friedrich Gottlieb Kloppstock, direkt gegenüber befindet sich die Lyonel-Feininger-Galerie. die eine umfangreiche Sammlung des Malers und Graphikers zeigt. Wir gehen nun in die Straße Finkenherd, schöne Fachwerkhäuser säumen die Gasse. An dieser Stelle soll der Sage nach Heinrich I. die Reichskleinodien erhalten haben, als er gerade beim Vogelfang saß, eine recht unverhoffte Ernennung zum König. Wir überqueren die Carl-Ritter-Straße, folgen der Hohen Straße und biegen rechts in die Blasiistraße ein. Kurz hinter der Kirche Sankt Blasii gelangen wir wieder auf den Rathausplatz, wo der Rundgang endet. Der Spaziergang lässt sich leicht um Abstecher zum Münzenberg oder zum Brühl und Sankt Wiperti erweitern.

 

 
Links:
 

Es existiert ein  Eintrag von Quedlinburg in der  Wikipedia. Dort gibt es auch einen Artikel zu den  Rolandstatuen.

 Eintrag Quedlinburgs in der Liste des UNESCO Weltkulturerbes.

Sights-and-Culture hat eine  Seite zu Quedlinburg, auf der sich einige hübsche Bilder befinden.

 
Literatur:
 

Quedlinburg - Marktkirche St. Benedikti, Kunstverlag PEDA, Passau, 2005. ISBN: 3-89643-598-1.

 

Quedlinburg - St. Nikolai in der Neustadt, Kunstverlag PEDA, Passau, 2001. ISBN: 3-89643-175-7.

 

St. Servatius in Quedlinburg, DKV-Kunstführer 403/3, Zehnte Auflage, Deutscher Kunstverlag GmbH, München.


 
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