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Vor vielen, vielen Jahren (als Deutschland noch
geteilt war) habe ich einen Optik-Baukasten "von
drüben" geschenkt bekommen. Dieses Teil war
eine echte Schatztruhe, man konnte damit unter
anderem aus zwei einzelnen Diabetrachtern einen
Betrachter für Stereodias basteln, ein Stereodia
mit erstaunlicher Tiefenwirkung war im Kasten enthalten.
Einige Jahre später konnte ich auf einem Flohmarkt
einen Viewmaster erstehen, ein kleines Betrachtergerät,
in dem eine Pappscheibe mit einer Serie von sehr kleinen Dias
so rotiert wird, daß jeweils ein Stereopaar durch
die beiden Okulare betrachtet werden kann. Auch dieses
ist eines der sehr alten (und recht bekannten) Beispiele
für die Stereofotografie.
Mir kam die Idee, daß man doch sehr einfach
solche Bilder selber erzeugen können müßte,
schließlich handelt es sich ja nur um zwei
Aufnahmen, die von zwei Kameras im Augenabstand aufgenommen
wurden. Nach einiger Recherche im Internet wußte
ich zwei Dinge mehr:
- Ich bin nicht der erste, der auf diese Idee kam.
- Es gibt viele, viele Möglichkeiten der
Stereofotografie, jede in ihrer eigenen Preis-
und Leistungsklasse.
Hier werde ich nun die wesentlichen Techniken vorstellen,
ein wenig Anleitung zum Selbermachen geben und etwas
über die Praxis der Stereofotografie erzählen.
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Grundlagen:
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Der räumliche Eindruck, den wir z.B. beim Betrachten
einer Landschaft erhalten, entsteht durch die Auswertung
von Informationen aus den beiden Bildern, die wir durch
unsere zwei Augen sehen. Das Gehirn wertet sowohl jedes
einzelne Bild aus als auch die Unterschiede zwischen
beiden. Auch durch Betrachten eines einzelnen Bildes
können wir Informationen über die räumliche
Tiefe erhalten. Folgende Hinweisreize werden vom Gehirn
zum Schließen auf Tiefenverhältnisse ausgewertet:
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Texturgradient:
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Die Dichte (bzw. Größe) der
einzelnen Gegenstände auf dem Bild. Je weiter Gegenstände
von uns entfernt sind, desto kleiner erscheinen sie. Auch die
Abstände zwischen zwei weit entfernten Gegenständen
scheinen geringer zu sein. Dies führt dazu, daß
weit entfernte Bereiche sehr viel komprimierter und dichter
aussehen. Die nebenstehende Abbildung verdeutlicht dies.
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Bewegungsparallaxe:
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Bewegt man den Kopf, so bewegen sich die Abbildungen naher
Gegenstände schneller über die Netzhaut, als
die von entfernten Gegenständen. Je weiter ein
Gegenstand von uns entfernt ist, desto weniger schnell scheint
er sich zu bewegen (z.B. beim Blick aus einem fahrenden
Auto). Durch Auswerten der Unterschiede von nacheinander
aufgenommenen Bildern kann also auf die Entfernung von
Gegenständen geschlossen werden. Die folgende Abbildung
zeigt zwei Gegenstände, die jeweils um den gleichen
Abstand vor dem Auge bewegt werden. Der überstrichene
Winkel ist jedoch viel größer bei dem näheren
Gegenstand.
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Stereopsie:
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Die Unterschiede zwischen den beiden Einzelbildern liefern
einen wesentlichen Teil der Tiefeninformationen des Raumes.
Der Abstand der menschlichen Augen beträgt etwa 6.5cm.
Betrachten wir also einen
Gegenstand, so sehen wir immer zwei seitlich versetzte
Ansichten davon. Diese sind jedoch für sich jeweils
nur ein zweidimensionales Abbild der Umgebung, d.h. aus einem
einzelnen Bild läßt sich kein komplettes
räumliches Bild erstellen. Vergleicht man jedoch
beide Einzelbilder, so lassen sich aus den Unterschieden
Informationen über die räumliche Anordnung
der abgebildeten Gegenstände gewinnen. Das Prinzip
ist dasselbe wie bei der Bewegungsparallaxe, jedoch ist keine
Kopfbewegung notwendig, da wir ohnehin zwei versetze Bilder
sehen.
Die obere Abbildung zeigt, daß der Tiefenabstand
der beiden Gegenstände aus dem Winkelunterschied
der beiden Teilbilder hergeleitet werden kann.
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Die zweite
Abbildung verdeutlicht, daß ein einzelnes Bild hierfür
nicht ausreicht, da verschiedene Entfernungen zu einem gleichen
Winkel beim einen (hier dem linken Auge) führen können.
Erst das rechte Auge liefert hier die zusätzliche
Information, die zur Entfernungseinschätzung notwendig
ist (rote Linie).
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Im Falle eines einzelnen unbewegten Bildes kann die
Bewegungsparallaxe
nicht ausgewertet werden, das Bild verändert sich nicht,
wenn man den Kopf bewegt (bei Hologrammen ist das anders).
Der Texturgradient liefert uns bereits beim Betrachten
eines normalen Fotos Informationen über die
Tiefe, jedoch reicht dies offenbar nicht, um eine räumliche
Wirkung zu erzielen. Erst die zusätzlichen Informationen
durch ein weiteres Bild führen zu einen realistischen
Raumeindruck.
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Techniken:
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Wie erhält man jedoch zwei leicht versetzte Aufnahmen
einer Szenerie? Dafür gibt es unterschiedliche Methoden,
die jeweils unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten
bieten und in verschiedenen Preisklassen liegen.
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Eine Kamera, zeitlich nacheinander:
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Der einfachste Weg ist natürlich, eine einzelne
Kamera zu verwenden, zunächst ein Bild zu machen,
die Kamera seitlich zu versetzen, und nun ein weiteres
Bild zu machen. Die Schwierigkeiten dieses Verfahrens
liegen auf der Hand:
- Beim Versetzen der Kamera muß darauf geachtet
werden, daß sie nicht verkantet wird, sondern die
Blickrichtung parallel zur ersten Aufnahme bleibt.
Andernfalls entsprechen die Bilder dem, was wir beim
heftigen Schielen sehen: Schielen wir nach außen,
so überlappen sich die Bildbereiche nicht mehr, wir sehen
zwei getrennte Bilder übereinandergelagert. Schielen
wir nach innen, gelingt es unserem Gehirn ebenfalls nicht
mehr, die zusammengehörigen Teilinformationen zusammenzusetzen,
das Bild, das wir sehen, zerfällt in seine Teilbilder.
In beiden Fällen bekommen wir nach kurzer Zeit Kopfschmerzen.
Dasselbe passiert ebenfalls beim Betrachten von nicht-parallel
aufgenommenen Stereobildern.
- Natürlich darf sich in der aufgenommenen Szene
zwischen den beiden Aufnahmen kein Gegenstand bewegen.
Solche Unterschiede zwischen den zwei Teilbildern werden
vom Gehirn stark wahrgenommen (schließlich achtet
es auf die Unterschiede, um die Tiefeninformationen zu
erhalten). Ungleiche Bilder stören den Raumeindruck
daher erheblich.
Dies ist also nur die einfachste und billigste Möglichkeit,
um Stereoaufnahmen zu machen. Für einen kurzen Test
durchaus brauchbar, jedoch für ernsthafte Fotografie
viel zu beschränkt.
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Eine Kamera, Strahlenteiler:
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Für gewöhnliche Kamera-Objektive gibt es einen
Strahlenteiler-Vorsatz, der in das Filtergewinde des Objektives
geschraubt werden kann. Dieser besitzt zwei Linsen, durch die
das Licht einfällt. Es wird dann so umgeleitet, daß
die Lichtstrahlen des rechten Teilbildes nur auf die rechte
Seite des Objektivs fallen, das linke Teilbild wird in den
linken Bereich des Objektives gelenkt. Somit nimmt die Kamera
ein Bild auf, das in der Mitte geteilt ist. Im linken
Bereich findet sich das linke Teilbild, im rechten das
rechte. Um die Bilder zu betrachten, benötigt man
einen Betrachter, der dafür sorgt, daß das jedes
Auge nur seine Hälfte des Bildes zu sehen bekommt.
Solche Betrachter gibt es sowohl für Papierbilder als
auch für Dias.
Auf diese Weise lassen sich also ohne Schwierigkeiten auch
Aufnahmen von bewegten Dingen machen, ebenfalls bereitet die
parallele Ausrichtung keine Schwierigkeiten. Nachteilig ist
das entstehende Format der Bilder: Es ist nur halb so breit
wie ein normales Foto, und ist dementsprechend ein
recht schmales Hochformat. Eine Projektion von Dias, die
mit dieser Technik aufgenommen wurden, ist wohl kaum
möglich, da die beiden Teilbilder nicht wieder einzeln
den zugehörigen Augen zugeführt werden können.
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Zwei Kameras:
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Besitzt man zwei Kameras, so können diese nebeneinander
auf einer Schiene befestigt werden. Sind die Kameragehäuse
klein, so gelingt es auch auf diese Weise, den menschlichen
Augenabstand (ca 6.5 cm) einzuhalten. Problematisch bei
dieser Technik ist das identische Einstellen beider Objektive
(falls es sich um Zoom-Objektive handelt). Zudem sollten beide
Objektive einen identischen Bildauschnitt liefern, die
Herstellertoleranzen sollten also nicht zu groß sein.
Am einfachsten geht es also mit zwei Objektiven gleicher,
fester Brennweite. Die beiden Kameras sollten ebenfalls
etwa gleichhelle Aufnahmen produzieren, was man ggf. durch
entsprechendes Ausgleichen der Filmempfindlichkeit oder
eine vorhandene Blendenkorrektur erreichen kann.
Als wesentliches
Problem bleibt nun noch das gleichzeitige Auslösen der
beiden Kameras. Dies kann durch einen im Fachhandel
erhältlichen Doppeldrahtauslöser geschehen oder
aber ungleich präziser durch elektronische Synchronisation
der Auslöser, wenn die Kamera dies unterstützt.
Ich benutze ein paar von Olympus XA2-Kameras, die ich
nachträglich um einen elektronischen Auslöser
erweitert habe. Eine entsprechende Schaltung läßt
sich mit etwas Erfahrung auf einer kleinen Platine realisieren,
hier finden Sie eine englische Beschreibung zum Bau eines synchronen
Auslösers.
Die beiden Kameras können auch so auf einer Schiene
montiert werden, daß die Kameraböden zueinander
zeigen. Auf diese Weise entsteht eine Stereo-Kamera für
das Hochformat. Auch hierbei ist natürlich der Augenabstand
ungefähr einzuhalten. Meine Stereo-Kamera besteht im
Moment aus drei kleinen Kameras, von denen ich jeweils zwei
gemeinsam auslösen kann. Somit kann ich wahlweise im
Hoch- oder im Querformat fotografieren. Die folgenden
Abbildungen zeigen den Aufbau.
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Aufnahme Hochformat |
Aufnahme Querformat |
Die Lösung mit zwei (oder mehr) synchronisierten Kameras
ist die flexibelste von allen. Werden Diafilme eingesetzt, so
können die Dias einfach durch zwei aneinandergehaltene,
kleine Diabetrachter angeschaut werden. Mit Hilfe von zwei
Projektoren, zwei Polfiltern und einer Polfilterbrille ist
sogar die Projektion der Stereo-Dias auf eine Leinwand
möglich. Die relativ geringen Kosten für kleine
Sucherkameras mit fester Brennweite (z.B. beim Kauf
von gebrauchten Geräten) ermöglichen den
kostengünstigen Aufbau einer sehr universellen
Stereokamera.
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Kameras:
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Es gibt natürlich auch fertige Stereokameras zu kaufen.
Hierbei gibt es grob drei verschiedene Klassen:
russische Stereokameras:
In der Sowjetunion
wurden einige Modelle von Sterokameras gebaut, die
nach der Öffnung der Grenzen günstig zu
haben waren. Die Kameras sind in der Regel sehr robust,
qualitativ ok, haben keine Wechseloptik. Oftmals sind
es Rollfilm-Kameras. Hierzu gehört z.B. die
FED.
ältere Modelle aus Europa und den USA:
In den
50er und 60er Jahren wurden einige Stereokameras von
den bekannten europäischen und amerikanischen Herstellern
gebaut. Da sich die Stereofotografie nicht durchsetzte,
wurden diese Modelle jedoch meist in den 70er und 80er
Jahren komplett vom Markt genommen. Hier eine Reihe
von Beispielen:
neue Stereokameras:
Auch heutzutage werden noch
einige Stereokameras produziert. Diese liegen i.d.R.
im Bereich für anspruchsvolle Amateure und Profis,
es handelt sich i.d.R. um Spiegelreflexkameras mit
Wechselobjektiven, die mechanisch gekoppelt sind, es
gibt auch Modelle mit entsprechend synchronem Autofokus.
RBT X4, X5, X2V2, 109
Es gibt auch einige günstige, neue Kameramodelle:
Digitalkameras:
Natürlich lassen sich auch mit Digitalkameras
Stereo-Bilder aufnehmen. Pentax hat seine Optio-Serie
mit ein paar Features ausgestattet, die es ermöglichen,
zwei Bilder hintereinander aufzunehmen und ein Stereo-Paar
daraus zu machen (siehe diesen Artikel). Und von RBT gibt es einige Möglichkeiten,
Sony-Digitalkameras zu einer Stereokamera zu koppeln (siehe
3D-Concepts).
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Links:
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Anbieter von Stereo-Ausrüstung gibt es einige, man darf
nur nicht erwarten, dass es einen mal eben um die Ecke gibt.
Versandhandel ist angesagt. Hier sind einige Links zu
größeren Anbietern:
Und hier noch einige weitere Links zu Beispielen von 3D-Bildern
und Einfürungen in die Stereo-Fotografie:
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Anregungen,
Lob und Kritik nehme ich gerne entgegen.
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