Modified: 03.11.2003

 

Ich bin eine Leseratte, wie sie im Buche steht (oder sollte ich sagen: Ein Bücherwurm, wie ihn Spitzweg gemalt hat?). Ich besitze einige hundert Bücher, sie nehmen einen Großteil des Platzes in meiner kleinen Wohnung ein. Ein paar der Meisterwerke will ich hier vorstellen, es sind insbesondere auch welche von nicht so bekannten Autoren und nicht sehr großen Verlagen dabei.

 

 
Romane:
 
Jonathan Carrol: Schlaf in den Flammen.
Jonathan Carroll ist Professor für Creative Writing an der Universität Wien. Das merkt man seinen Büchern an: Den Geschichten liegen immer recht erstaunliche Ideen zu Grunde, in der Regel haben die Bücher auch einiges mit Literatur zu tun. Da plagen sich Charaktere mit hinterhältigen Märchenfiguren herum oder Schriftsteller erwecken (beabsichtigt oder unbeabsichtigt) durch ihre lebendigen Erzählungen ihre Geschöpfe zum Leben. Spannend, zumal diverse kleine Geschichten mit in die Bücher einfließen, wie zum Beispiel die schönste Kaffeehausgeschichte der Welt.
 
Otto Kinne: Suchen im Park.
Was tut ein Professor für Meeresbiologie, wenn er im hohen Alter in den Ruhestand geht? Er schreibt endlich ein "richtiges" Buch, eines, das kein wissenschaftliches Fachbuch ist, sondern eine Geschichte erzählt. Das Zusammentreffen mehrerer Charaktere, von einfachem Handwerker über einen Theologen bis zum Physiker, zeugt von der ernormen Beobachtungsgabe Kinnes für menschliches Verhalten und Denken. Nicht nur die Unterschiede zwischen Naturwissenschaft und Religion, auch die menschlichen Abgründe tun sich auf, wenn Kinne seine Darsteller nachts im Park auftreten läßt.
 
Joris Karl Huysmans: Die Kathedrale.
Joris Karl Huysmans schrieb zur selben Zeit wie Victor Hugo. Wo jedoch Hugo seinem "Glöckner von Notre Dame" eine Geschichte von Heldentum und großer Liebe auf den Leib schneidert, ist Huysmans autobiographisch und dem Konflikt zwischen menschlichen Idealen und der Realität zugetan. Sein Hauptdarsteller hat so seine Schwierigkeiten, mit dem Leben zurechtzukommen, er ist hin- und hergerissen zwischen dem weltlichen Leben und dem Leben im Kloster. Im Laufe der Geschichte gibt Huysmans dabei soviel an Wissen über die Kirchenbaukunst und den Symbolismus des Mittelalters zum Besten, daß man dieses Buch ohne weiteres als Führer durch die Kathedrale von Chartres nutzen kann. Selbst Sedlmayr (Die Entstehung der Kathedrale) kommt nicht umhin, dieses Buch zu erwähnen, wenngleich ihm die nicht-naturwissenschaftliche Zugangsweise von Huysmans offenbar etwas befremdet. Für Huysmans sind die Kathedralen und ihr Symbolismus immer noch lebendig, während Sedlmayr 50 Jahre später nur noch historische Fakten anführen kann.
 

 
Sachbücher:
 
Douglas R. Hofstadter, Daniel C. Dennet: Einsicht ins Ich.
Nachdem Hofstadter mit "Gödel, Escher, Bach" dem naturwissenschaftlich Interessierten bekannt geworden ist, liefert er hier, gemeinsam mit einem Philosophen, ein sowohl unterhaltsames als auch lehrreiches Werk. Woran erkennen wir, daß unser Gegenüber auch denkt? Woran messen wir Intelligenz? Wo finden wir die Seele im Menschen? Es wechseln sich jeweils eine Kurzgeschichte und ein zugehöriger Kommentar ab. Die Autoren der Kurzgeschichten sind Leute wie Stanislaw Lem, Jorge Luis Borges, Alan Turing und Rudy Rucker. Immer wieder drängt sich die Frage nach dem menschlichen Bewußtsein auf, immer wieder gibt es überraschende Antworten.
 

 
Bilder- & Kinderbücher:
 
David Wiesner: June 29, 1999.
Wie kann sich ein Mensch solche Geschichten ausdenken? Wie kann derselbe Mensch dann auch noch solche Bilder dazu malen? David Wiesner erzählt die merkwürdige Geschichte eines sehr mysteriösen biologischen Experiments. Seine Bilder haben eine epische Komponente, jedes Bild fesselt das Auge. Ein Bilderbuch, das einen bleibenden Eindruck hinterläßt. Die Geschichten: Merkwürdig. Die Bilder: Unglaublich.
 
Michael Ende: Momo.
Die kleine Momo und ihr Kampf gemeinsam mit Meister Hora gegen die grauen Herren, die den Menschen die Zeit stehlen, ist rührend. Und der Kern ist so wahr, daß dies nicht wirklich nur als Kinderbuch angesehen werden kann. Mir gefällt es besser als die unendliche Geschichte, weil der Bezug so aktuell ist und die Geschichte irgendwie schlüssiger ist.
 
James Krüss: Geschichten der 101 Tage.
James Krüss hat mit seiner 17 bändigen Serie ein herrliches Panorama geschaffen für all jene wundersamen Geschichten, die seiner kraftvollen Phantasie entspringen konnten. Haltet die Uhren an. Vergeßt die Zeit. Ich will Euch Geschichten erzählen. Vergeßt die Zeit, die man Geschichte nennt. Taucht ein in die Zeit der Geschichten. Sehr lesenswert. Übrigens gehört die bekannte Geschichte von Timm Thaler und seinem verkauften Lachen mit zu dieser Serie. Die vollständige Reihe ist zuerst bei Oetinger und dann bei Ravensburger veröffentlicht worden.
 

 
 Anregungen, Lob und Kritik nehme ich gerne entgegen.